Für die nun im Fachblatt „Scientific Reports“ erschienene Studie führten 58 Frauen, von denen die meisten schon seit über einem Jahr durch körperliche Symptome wie Schmerzen, Erschöpfung oder Übelkeit beeinträchtigt waren, über 14 Tage hinweg ein elektronisches Tagebuch. Sie beantworteten über eine App sechs Mal am Tag Fragen zu ihrem Befinden und ihrem Musikhörverhalten. Ebenso oft gaben sie Speichelproben ab, die dann auf den Gehalt von den auf Stresszustände hinweisenden Substanzen Cortisol und Alpha-Amylase untersucht wurden.
Die Forschungsgruppe vom „Music & Health Lab“ um den Klinischen Psychologen Urs Nater von der Universität Wien wollte damit die Wirkung von Musik auf Personen mit chronischen körperlichen Leiden abseits von sonst vielfach durchgeführten Untersuchungen im Labor oder in Kliniken untersuchen. Weil es Geschlechterunterschiede bei der Empfänglichkeit für Musik gibt und Frauen tendenziell häufiger von Stress-abhängigen körperlichen Leiden betroffen sind, nahmen an der Tagebuchstudie nur Frauen teil.
Indirekter Effekt
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um die Erstautorin der Arbeit, Anja Feneberg, fanden heraus, dass Musikgenuss die körperlichen Leiden der Patientinnen zwar nicht direkt linderte, das von den Teilnehmerinnen empfundene Stressniveau aber gesenkt wurde. Damit habe man es mit einem indirekten Effekt der Musik auf den Körper zu tun.
Auch der naheliegende Schluss, dass als fröhlich empfundene Musik die körperlichen Beschwerden indirekt verbessern konnte, und beruhigende Musik den Patientinnen Entspannung verschaffte, fand sich in den Daten aus der Studie wieder. „Wir konnten somit einen wichtigen Mechanismus identifizieren: Musikhören im Alltag hatte in unserer Studie zunächst einen stressreduzierenden Effekt, und diese Stressreduktion zog dann eine Besserung körperlicher Symptome nach sich“, so Feneberg.
Musik als Therapie
Die Erkenntnisse möchten die Psychologen nun auch im therapeutischen Bereich nutzen, denn die Musik könne sozusagen auch als Einstieg in eine Behandlung fungieren. Sehe man sich an, wie viele Menschen auf psychologische Behandlungen, respektive einen Therapieplatz oder einen Klinikaufenthalt warten, könnten viele von derart niederschwelligen Angeboten profitieren. Man könne nämlich „ohne großen technischen Aufwand mit einer App den Personen zum Beispiel maßgeschneiderte Playlists, die fröhliche und zugleich entspannende Lieder enthalten, und die Betroffene in Momenten erhöhten Stresserlebens oder verstärkter körperlicher Beschwerden anhören können, zur Verfügung stellen“, erklärte Nater gegenüber der APA.
Menschen, deren Gedanken sehr häufig und intensiv um die eigenen körperlichen Leiden kreisen, könnte so bereits geholfen werden. Die Wiener Wissenschaftler arbeiten aktuell schon daran, „dass wir ein App-basiertes Angebot erstellen, in dem neben Musikhören auch kognitiv-behaviorale sowie achtsamkeitsbasierte Stressinterventionen enthalten sind“, so Nater, der das Potenzial sowohl bei Personen mit Somatischen Belastungsstörungen als auch bei Menschen, die unter Depressionen leiden, sieht.