Wissen über Stress

Stress, Stress, eine körperliche oder seelische (Über-)Beanspruchung

Der Begriff Stress (engl. für ‚Druck, Beanspruchung, Anspannung‘; lat. Stringere ‚anspannen‘) wurde 1936 vom Biochemiker Hans Selye (1907-1982) geprägt. Der Körper reagiert dabei auf bestimmte Lebensumstände oder Anforderungen, die als Stressoren bezeichnet werden.

Die Stressreaktion ist eine natürliche Antwort des Körpers auf eine möglicherweise lebensbedrohliche Situation. Sie ist dementsprechend nicht nur sinnvoll, sondern unter Umständen sogar lebensrettend. Deutlich wird dies, wenn man das Leben unserer Vorfahren, als Jäger und Sammler, betrachtet. Wenn ihnen im Wald ein großes wildes Tier begegnete, mussten sie sich blitzschnell entscheiden zwischen Angriff oder Flucht und diese Option dann auch umsetzen. Nach einem erfolgreichen Kampf oder einer gelungenen Flucht, wenn die Gefahr vorüber war, beruhigte sich der Körper wieder und die Erholung von der körperlichen Anstrengung setzte ein.

Auch heutzutage profitieren wir von diesem Reaktionsmuster. Biegen wir um eine Ecke und uns kommt plötzlich jemand entgegen, erschrecken wir uns und weichen instinktiv aus. Gesteuert wird die körperliche Antwort auf eine potentielle Gefahr durch den Hirnstamm. Dieser älteste Teil unseres Gehirns ist für viele lebenswichtige Vorgänge zuständig die unbewusst ablaufen, also ohne dass wir darüber nachdenken müssen, z.B. Atmung, Regulierung von Herzfrequenz, Blutdruck und Darmtätigkeit.

Stress an sich ist also etwas Gutes – er schützt uns bei Gefahr, steigert Kraft und Reaktionsvermögen. Eine gewisse Erregung wird sogar als anregend empfunden. Sie erhöht die Leistungsbereitschaft, lässt uns Herausforderungen annehmen, sie bewältigen und uns damit Weiterentwickeln. Wir lernen, dass wir die Aufgaben erfüllen können, so dass sie beim nächsten Mal sehr viel weniger belasten. Wichtig ist dabei jedoch, dass wir die nötigen Reserven zur Bewältigung haben und nach einer gewissen Weile wieder zur Ruhe kommen können. Dies ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Widerstandsfähigkeit, der sogenannten Resilienz.

In einer Stresssituation wird der gesamte Körper in Sekundenschnelle in Alarmbereitschaft versetzt und ist bereit für eine reflexartige Handlung – verbunden mit einer starken körperlichen Beanspruchung. Gesteuert wird diese Reaktion über die Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol, die in allen Körperteilen wirken:

Die Blutgefäße verengen sich, so dass der Blutdruck steigt. Auch die Herzschlagfrequenz und damit der Puls steigt, so dass Botenstoffe und alle weiteren Bestandteile des Blutes schneller verteilt werden.
Zucker und Fettsäuren werden aus körpereigenen Speichern freigesetzt und mit dem Blut verteilt. Sie liefern die nötige Energie z.B. für die Muskeln.
Die Atemfrequenz steigt, so dass der Körper mehr Sauerstoff aufnimmt und die Körperzellen vermehrt Energie gewinnen können.Die Konzentration an Gerinnungsfaktoren im Blut steigt und verringert so den Blutverlust.

Die Schmerzempfindlichkeit wird kurzzeitig gesenkt, damit man z.B. auch mit einer Verletzung flüchten oder weiterkämpfen kann.
Alle Funktionen, die in einer Angriffs- oder Fluchtsituation nicht benötigt werden, werden dagegen gedrosselt: Immunsystem, Verdauung, Ruhe- und Schlafbedürfnis, Wachstum und vieles mehr. Im Gehirn werden Denkprozesse vom überlegten Handeln zu reflexartigen Reaktionen verändert. Hätten unsere Vorfahren bei der Begegnung mit wilden Tieren erst einmal in Ruhe darüber nachgedacht, ob eine Flucht nötig ist, hätten sie wahrscheinlich nicht überlebt.

Dazu passend vermindern sich weitere Fähigkeiten und Gefühle, wie die Genussfähigkeit, Empathie, Lust auf Sex oder die Fähigkeit sich zu konzentrieren. In zeitlich begrenzten Phasen ist das für den Menschen kein Problem, selbst dann nicht, wenn die Stressantwort hundert Mal an einem Tag abläuft. Manchmal ist sie dabei so schwach, dass sie nicht bewusst wahrgenommen wird. Schwierig wird es, wenn dauerhafter Stress den Körper über einen langen Zeitraum im Zustand der Alarmbereitschaft hält. Insbesondere dann, wenn keine körperliche Bewegung folgt, die bereitgestellte Energie nicht verbraucht wird und die Stresshormone nur langsam abgebaut werden.

Die meisten von uns kennen Stresssituationen aus Prüfungen während der Ausbildung, im Studium oder in der Fahrschule. Schon der Gedanke daran, Fragen nicht beantworten zu können oder nicht zu bestehen, lässt das Lampenfieber steigen. Sehr deutlich spürt man die Symptome dann direkt vor und zu Beginn der Prüfung:

Diese Symptome halten an, so lange sich ein Mensch in einer belastenden Situation befindet. Sind wir verschiedenen Stressoren, also stressauslösenden Einflüssen, ausgesetzt, kann sich deren Wirkung verstärken. Wer morgens beinahe den Bus verpasst oder im Stau steht, bei der Arbeit mit zu hohen Anforderungen und einem schlecht gelaunten Chef konfrontiert wird, nachmittags Streit mit seinen Kindern oder einen schmerzhaften Zahnarzttermin hat und abends in den Nachrichten besorgniserregende Informationen hört, gerät den ganzen Tag über von einer Stresssituation in die nächste. Hier sind effektive Maßnahmen zum Stressabbau gefragt.

Was meinen wir heute mit Stress?
Die Zeiten, in denen unser Leben immer wieder akut bedroht war, sind zum Glück vorbei. Trotzdem ist das Thema Stress aktueller denn je. Der Mensch ist ein soziales Wesen, was die Wichtigkeit von Gemeinschaftsgefügen, von Familien und Freundschaften unterstreicht. Die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen erhöhen unser Selbstwertempfinden und die innere Sicherheit. Diese Wichtigkeit sorgt jedoch auch dafür, dass wir zwischenmenschliche Konflikte oder einen möglichen Verlust an Ansehen und sozialem Rang als sehr bedrohlich und damit als stressig empfinden. Heutige Stressfaktoren sind z.B. Mehrfachbelastung, Geldsorgen, Sorge um die eigene Gesundheit oder die von Angehörigen.

Wir reagieren darauf, wie es in unseren Genen seit Jahrtausenden programmiert ist: Die Hormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol versetzen den gesamten Organismus in Alarmbereitschaft und bereiten ihn auf eine große körperliche Anstrengung vor. In der Regel bleibt die körperliche Aktivität jedoch aus, die die Stressreaktion beenden würde, so dass sich die Anspannung nur sehr langsam wieder abbaut.

Dazu kommen Einflüsse, wie eine unausgewogene Ernährung oder Umweltfaktoren, die für unseren Körper ebenfalls Stress darstellen und bewältigt werden müssen.

Typische Auslöser für Stress
Stressfaktoren wirken von vielen verschiedenen Bereichen unseres Lebens auf uns ein. Sie können uns für einen kurzen Zeitraum, also akut, belasten. Manchmal setzen wir uns ihnen sogar gezielt aus, so dass wir an ihnen wachsen und neue Lebenserfahrung sammeln können:

  • Akute Konflikt-Situationen in Familie und Stress am Arbeitsplatz
  • Prüfungen, Bewerbungsgespräche, Vorträge (Lampenfieber)
  • Reisen (Flüge, unbekannte Umgebung und Kultur…)
  • Parkplatzsuche, Stau, Nachtfahrten
  • Wohnungssuche und Umzug
  • Albträume, das Erinnern an besonders negative Erfahrungen
  • Ungewohnte Situationen, die wir zum ersten Mal zu meistern haben
  • Arztwechsel
  • Ein neues Auto fahren
  • Fahrradfahren lernen
  • Technische Probleme im Homeoffice

 

Andere Stressoren wirken länger auf uns ein, können lange Phasen unseres Lebens beeinflussen und immer wieder Stresssymptome hervorrufen:

  • Verlust von geliebten Menschen, insbesondere Bezugspersonen
  • Konflikte innerhalb der Beziehung, der Familie, im Freundes- und Kollegenkreis
  • Termindruck und Multitasking bei der Arbeit und Zuhause
  • Ständige Erreichbarkeit
  • Probleme mit Vorgesetzten
  • Mehrfachbelastung durch Familie und Beruf
  • Finanzielle Sorgen bis hin zu Existenzängsten
  • Arbeitslosigkeit, Jobsuche
  • Pflege von Angehörigen
  • Wenig Einfluss und Mitgestaltungsmöglichkeiten im (Arbeits-)Alltag

Das Herz klopft, man kann sich schlecht konzentrieren, hat keinen Appetit, die Hände werden feucht. Dies ist eindeutig eine Stressreaktion. Genau so fühlt es sich an, wenn man sich gerade frisch verliebt hat und seiner großen Liebe gegenübersteht. Niemand käme auf die Idee diese Erfahrung zu vermeiden, nur weil unsere Hormone den Körper in Alarmbereitschaft versetzen. Es gibt ihn also den positiven oder guten Stress (Eustress). Er sorgt dafür, dass wir für eine gewisse Zeitspanne unsere Aufmerksamkeit bündeln und stellt Energie bereit, um genau diese wichtige Aufgabe zu bewältigen. Im besten Fall sind wir erfolgreich und wissen nun, wie wir die Angelegenheit meistern, wenn sie uns das nächste Mal begegnet.

Sind wir dagegen nicht mehr in der Lage, akuten Stress abzubauen oder geraten von einer stressigen Situation in die nächste, schaffen wir es nicht mehr uns zu entspannen und wieder zu erholen, dann handelt es sich um negativen Stress. Dauerstress bemerken die Betroffenen meist erst, wenn sie die physischen und psychischen Symptome nicht mehr ignorieren können. Hier zeigt sich, dass die Evolution uns auf chronische Stressreaktionen nicht vorbereitet hat. Negativer oder schlechter Stress (Distress) kann außerdem aufkommen, wenn Erfolgserlebnisse ausbleiben und das Selbstwertgefühl leidet. Dann reagiert man bei einem erneuten Kontakt mit dem Stressor noch stärker und nicht selten wird vieles schlimmer.

Hinzu kommt, dass ein Stressfaktor uns deutlich mehr belastet, wenn wir ihn negativ bewerten.

 

Ja, obwohl die eigentliche Stressreaktion natürlich dieselbe ist, gibt es auch geschlechtsspezifische Unterschiede.
Die äußern sich vor allem in den Bewältigungsstrategien. Schon Mädchen reagieren im Zuge ihrer Stressbewältigung eher problemorientiert, sie tauschen sich beispielsweise mit ihrem sozialen Umfeld aus. Jungs dagegen wählen eher eine stressvermeidende Strategie.
Im Erwachsenen-Alter bleibt die Tendenz: Frauen suchen sich eher professionelle Hilfe oder Unterstützung im sozialen Umfeld. Männer versuchen dagegen eher, den Stress durch Sport abzubauen.

Da Frauen eher als Männer dazu neigen, sich Sorgen zu machen und auf ihren Körper zu hören, spüren sie krankmachende Veränderungen eher und wehren sich eher aktiv gegen krankmachenden Stress.

Ein Unterschied zwischen Männern und Frauen hängt auch direkt mit den Hormonen zusammen: Östrogene haben einen Einfluss auf die Ausschüttung von Stresshormonen. Deshalb sind Frauen innerhalb ihres Zyklus unterschiedlich anfällig für Stress. Stress scheint das Schmerzempfinden bei Frauen stärker zu erhöhen als bei Männern.